Alina von voiio: Sie sind in Sri Lanka geboren, adoptiert worden und leben heute in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit einer kleinen Tochter. Ihr Weg war dadurch bestimmt nicht immer leicht. Hatten Sie selbst mit Vorurteilen zu kämpfen?
Vasanthi N. Klundt: Erstaunlicherweise habe ich nie wirklich negative Erfahrungen gemacht. Alltagsrassismus, ja, den kenne ich. Und der ist für Personen mit meiner Hautfarbe leider immer noch sehr normal. Während meiner Tätigkeit als Bedienung neben dem Studium haben mich die Leute beispielsweise gefragt, ob ich auch Deutsch spreche und als Cafébesitzerin in Berlin haben Menschen ihre Bestellungen tatsächlich manchmal in gebrochenem Deutsch bei mir aufgegeben.
Alina von voiio: Wie gehen Sie in solchen Situationen selbst mit Vorurteilen um?
Vasanthi N. Klundt: Ich gehe davon aus, dass der Großteil dieser Menschen das nicht böse meint, sondern schlichtweg unsicher ist. Ich persönlich fühle mich daher davon nicht angegriffen. Es ist traurig, dass es heute für Menschen wie mich immer noch Normalität ist, solchen Situationen ausgesetzt zu sein, aber ehrlich gesagt möchte ich meine Energie dafür nicht verschwenden.
Alina von voiio: Ist das eine Einstellung, die Sie mit dem Alter gelernt haben?
Vasanthi N. Klundt: Tatsächlich haben mich meine Eltern schon als kleines Kind zu jemandem erzogen, der von Anfang an sehr selbstbewusst war. Ich bin so wie ich bin, entweder ihr nehmt mich so oder ihr lasst es. Diese Einstellung habe ich verinnerlicht und das schon von klein auf. Wenn ich mit Vorurteilen oder Alltagsrassismus konfrontiert werde, geht das aber natürlich nicht vollkommen spurlos an mir vorbei. Ich denke darüber nach und versuche zu begreifen, was passiert ist und warum – wobei das nicht immer gelingt oder gelingen kann.
Alina von voiio: Was würden Sie anderen betroffenen Personen raten, wie sie mit Vorurteilen umgehen können?
Vasanthi N. Klundt: Das Wichtigste ist, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken und das fängt schon bei der Erziehung an. Denn ich glaube, es kommt immer auf das eigene Auftreten an. Egal, welche Hautfarbe ich habe, welche sexuelle Orientierung, wie alt ich bin oder wie ich aussehe: Wenn ich offen auf die Menschen zugehe, dann ist die Resonanz größtenteils auch offen. „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Und wenn ich trotzdem mal mit Vorurteilen oder Alltagsrassismus konfrontiert werde, versuche ich immer in den Dialog zu gehen. Es sei denn ich merke, dass das keinen Sinn ergibt. Dann hat aber auch dieser Mensch für mein Leben keine weitere Bedeutung.
Alina von voiio: Betrachten wir nun einmal die andere Seite. Haben Sie einen Tipp, wie sich Menschen selbst von Vorurteilen freimachen können?
Vasanthi N. Klundt: Jeder Mensch hat Vorurteile. Ich habe auch welche. Und es wäre eine Illusion zu glauben, wir könnten eine Gesellschaft erreichen, in der es keine Vorurteile mehr gibt. Die Kunst, mit dieser Tatsache richtig umzugehen, ist es, Vorurteile zunächst zuzulassen, zu verstehen, warum sie da sind und dann einen Weg zu finden, sie zu widerlegen. Das ist zum Teil Aufgabe von Erziehung: Schon Kinder sollten von klein auf lernen, dass Menschen unterschiedlich sind und dass es okay ist, anders zu sein. Dieser Erziehungsauftrag gilt aber natürlich auch gleichermaßen für Erwachsene.